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Pflegebedürftigkeit von Senioren vermeiden

(21.11.2018)

Das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg bietet im Rahmen eines Forschungsprojektes älteren Patienten ein 12-monatiges, häusliches Nachsorgeprogramm an. Es soll die Versorgung betagter Menschen beim Übergang vom Krankenhaus ins eigene Zuhause verbessern. Die wissenschaftliche Studie wird mit 3,7 Millionen Euro vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert.

Ein häufiges Phänomen: Kaum ist der Oberschenkelhalsbruch geheilt und der ältere Patient wurde aus der Klinik entlassen, so muss er wegen einer weiteren Sturzverletzung erneut stationär im Krankenhaus aufgenommen werden. Beim Patienten setzt sich dadurch eine gesundheitliche Abwärtsspirale in Gang, welche meist in der Pflegebedürftigkeit mündet. Denn häufige Krankenhausaufenthalte führen bei Senioren zu dauerhaften Einschränkungen ihrer Funktionalität, Selbstständigkeit und Lebensqualität. Neben Stürzen führen im fortgeschrittenen Alter auch Schwierigkeiten bei der richtigen Wundversorgung oder die nicht ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu ernstzunehmenden Gesundheitsproblemen.

Das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg unterstützt ältere Patienten und ihre Angehörigen mit einem Nachsorge-Projekt beim Übergang vom Krankenhaus zurück in die häusliche Umgebung. „Viele Senioren können heutzutage den Alltag kaum noch alleine bewältigen, da ihre mitbetreuende Kinder beispielsweise beruflich bedingt nicht mehr in der Heimat sind und nicht unterstützen können“, erklärt Prof. Dr. Cornel Sieber, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie am Krankenhaus Barmherzige Brüder. „Wer hat im Blick, dass die Patienten nach dem Krankenhausaufenthalt zeitnah den Hausarzt aufsuchen, jetzt ausreichend trinken oder die Stolperfalle Perserteppich wegräumen? Ist überhaupt jemand da, wenn die Patienten nach Hause kommen und ist der Kühlschrank frisch gefüllt?“ Das Nachsorge-Programm soll genau hier ansetzen.

Patienten, die an dem Nachsorgeprojekt teilnehmen möchten und bestimmte Einschlusskriterien erfüllen, werden zufällig in eine Gruppe mit oder eine Gruppe ohne Betreuung durch sogenannte Pfadfinder verteilt. Die Pfadfinder sind geriatrisch spezialisierte Fachkräfte, welche die Patienten schon im Krankenhaus kennen lernen. Sie unterstützen die Senioren und ihre pflegenden Angehörigen nach der Krankenhausentlassung zwölf Monate lang beim selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Umgang mit den gesundheitlichen Problemen und deren besonderen Anforderungen. In enger Abstimmung mit den Hausärzten tragen die Pfadfinder in der häuslichen Umgebung dazu bei, den Allgemeinzustand der Patienten zu stabilisieren sowie ihren Ernährungsstatus und ihre Wundversorgung im Blick zu halten. „Wir möchten vermeiden, dass die Patienten erneut ins Krankenhaus aufgenommen werden müssen. Daher helfen die Pfadfinder bei Bedarf  bei der Organisation von Therapien für die Patienten, schulen die Angehörigen und machen insbesondere in der Anfangszeit Hausbesuche oder rufen an, bis alles klappt“, weiß Prof. Sieber. „Patienten können sich auch jederzeit mit Fragen an die Pfadfinder wenden. Man muss sich das vorstellen wie die häusliche Nachsorge der Hebammen nach der Geburt des Kindes. Die Hebammen unterstützen die Eltern und das Baby auch zu Hause, bis sich die Routine eingestellt hat.“

Unter der Leitung des Instituts für Biomedizin des Alterns der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg wird das Nachsorge-Projekt TIGER wissenschaftlich begleitet. Der Projektname TIGER steht dabei für Transsektorales Interventionsprogramm zur Verbesserung der Geriatrischen Versorgung in Regensburg. Es ist als ein Forschungsprojekt angelegt und wird vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses mit 3,7 Millionen Euro gefördert. Mit im Programm sind neben dem Institut für Biomedizin des Alterns und den Barmherzigen Brüdern die weiteren Kooperationspartner das Regensburger Ärztenetz, AOK Bayern, das Institut für Pflegewissenschaften der Universität Bielefeld, der Bundesverband für Geriatrie, das Institut für Psychogerontologie und der Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg.

„In anderen Ländern ist es schon heute durchaus üblich, dass Senioren nach ihren Klinikaufenthalten längerfristig betreut werden“, betont der Chefarzt. „Die Senioren profitieren davon mit einer höheren Lebensqualität und die Gesundheitsversorgung durch geringere Kosten.“ Die in der Regensburger Studie gewonnenen Daten werden über unabhängige Institute ausgewertet. Bei positiven Ergebnissen kann sich aus dieser neuen Versorgungsform für ältere Patienten eine Regelversorgung entwickeln.