Klinik für Neurologie
Karpaltunnelsyndrom
Ursache von Nervendruckschäden richtig erkennen und behandeln
Fallbeispiel: Die 56-jährige Diabetikerin Anneliese K. klagt über ein nächtlich auftretendes Gefühl einschlafender Hände. In letzter Zeit würde sie nachts aufgrund von Kribbeln in beiden Handflächen wach. Teilweise sei dies auch sehr schmerzhaft. Ein Ausschütteln der Hände oder ein Kneten der Handflächen verschaffe kurzzeitig Linderung. Ähnliche Beschwerden habe sie bereits in der rechten Hand während einer Schwangerschaft vor 30 Jahren gehabt, die sich im Laufe der Zeit wieder gebessert hätten.
Das Carpaltunnelsyndrom ist neben der Ulnarisneuropathie die häufigste Nervendruckschädigung (Kompressionsschädigung). Sie stellt eine der häufigsten Schädigungen eines peripheren Nervs überhaupt dar. Und viele Patienten kennen die Leidensgeschichte der Annelise K. am eigenen Leib: das Carpaltunnelsyndrom ist eine Volkskrankheit. Frauen sind drei- bis viermal häufiger betroffen als Männer.
Hauptbeschwerden
- Vor allem nachts auftretendes Kribbeln in Daumen, Zeige- und Mittelfinger
- Schmerzen am Handgelenk mit Ausbreitung in den Arm
- Lähmungen mit Verschmächtigung der Muskulatur am Daumenballen und Feinmotorikstörung
Wichtig ist vor allem das Karpaltunnelsyndrom von Bandscheibenvorfällen im Halsbereich abzugrenzen, da sich die Schmerzen beim Karpaltunnelsyndrom nicht allein auf das Handgelenk beschränken müssen, sondern meist in den ganzen Arm einstrahlen. Dann besteht die Gefahr fälschlicherweise eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule zu erhalten und an einem Bandscheibenvorfall, der nichts mit den Schmerzen zu tun hat, operiert zu werden.
Ursache
Beim Karpaltunnelsyndrom kommt es zu einer Funktionseinschränkung des Nervus medianus am Handgelenk. Meist sind beide Seiten betroffen. Menschen mit besonderer mechanischer Belastung der Handgelenke, Arthrose, Diabetes, Gicht, rheumatoider Arthritis, nach Knochenbrüchen oder auch vorübergehend in der Schwangerschaft neigen besonders gern zur Ausbildung eines Karpaltunnelsyndroms.
Diagnostik
Meist kann die Diagnose bereits durch die Anamnese und eine klinisch-neurologische Untersuchung gestellt werden. Zusätzlich erfolgt eine Neurographie, um das Ausmaß der Schädigung zu dokumentieren und diese beispielsweise von einer Polyneuropathie (Oberbegriff für bestimmte Erkrankungen des peripheren Nervensystems, bei denen mehrere Nerven betroffen sind) abzugrenzen.
Einen besonderen Stellenwert bei der Diagnose von Nervenkompressionssyndromen hat in den letzten Jahren die auch hier bei uns im Hause praktizierte Nervensonographie erlangt. Mit dieser einfachen und schmerzfreien Bildgebung kann man sich rasch ein Bild von der Situation Ihres Handgelenks machen und oft die Ursache des Drucks auf den Nerven erkennen.
Therapie
Bei nur leichten Beschwerden kann zunächst versucht werden, mit einer Handgelenksschiene zur Nacht Entlastung und Linderung zu verschaffen. Die Einnahme von Kortison (Kortikoide) in Form von Tabletten oder auch als Spritze direkt in den Karpalkanal wirkt entzündungshemmend. Eine Kortisontherapie sollte jedoch nur kurzzeitig durchgeführt werden.
Bei ausgeprägten Taubheitsgefühlen oder gar Ausfällen der Muskelfunktion und bei Versagen der bisher unternommenen konservativen Maßnahmen kommt eine Operation in Frage.
Hierbei wird das Ligamentum carpi transversum, also die Bandstruktur, die den Karpalkanal wie ein Dach nach außen begrenzt, gespalten. Hierdurch entsteht wieder mehr Platz für Gefäße, Sehnen und Nerven im Karpalkanal. Operiert wird entweder offen chirurgisch oder durch die endoskopische Methode („Schlüssellochchirurgie“).
Nach einer Operation bessern sich viele Beschwerden rasch. Bei einer ausgeprägten Schädigung des Nervus medianus kann es bis zur deutlichen Besserung aber einige Monate dauern. Ein bereits deutlicher Muskelabbau, der durch eine lang andauernde Nervenschädigung verursacht wurde, ist allerdings durch eine Operation nicht mehr rückgängig zu machen.
Schädigungsmechanismus
Der Karpalkanal, auch Karpaltunnel bezeichnet, ist der Raum zwischen Handwurzelknochen und dem Ligamentum carpi transversum. Diese Bandstruktur begrenzt den Karpaltunnel vor der Handinnenfläche. Durch den Karpaltunnel verlaufen Gefäße, Sehnen und Nerven. Ein Carpaltunnelsyndrom entsteht, wenn der Raum für die durchlaufenden Strukturen zu eng wird. Durch seine knöcherne Begrenzung und durch die Begrenzung des Ligaments können die Strukturen nicht ausweichen und es entsteht ein deutlich erhöhter Druck im Karpaltunnel. Dieser wirkt sich zuerst auf die empfindlichen Nerven aus. Hier ist aufgrund seiner Lager der Nervus medianus besonders gefährdet. Besser gesagt entsteht eine enormer Druck auf die kleinen Blutgefäße, die den Nerv versorgen. Weil der Blutabfluss aus dem Nerv auf diese Weise eingeschränkt wird, kommt es zu Störungen seiner Funktionsfähigkeit. Je länger der Druck im Karpalkanal besteht, umso mehr und unwiederbringlicher wird die Nervenstruktur geschädigt.
Der Nervus medianus verläuft mittig an seiner Oberfläche und ist zuständig für die Empfindungsfähigkeit von Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Außerdem vermittelt er Impulse an Handmuskeln.