Klinik für Neurologie
Neuroborreliose
Bayerischer Wald birgt Zecken-Gefahr
Fallbeispiel: Die 29-jährige Verena war vor fünf Wochen wandern am Großen Arber. Beim Picknick sei ihr auf dem Gipfel am Unterschenkel eine anheftende Zecke aufgefallen, die sie vollständig habe entfernen können. Sechs Tage danach sei der Unterschenkel deutlich gerötet und leicht geschwollen gewesen. Jetzt habe sie seit zwei Tagen Kopfschmerzen und am Morgen sei sie beim Blick in den Spiegel erschrocken, die komplette linke Gesichtshälfte habe gehangen, das Auge habe getränt und sie habe nur ein Lallen zustande gebracht. Sie habe jetzt sehr Angst vor einem Schlaganfall.
Die Lyme-Borreliose und die FSME sind die häufigsten durch Zecken übertragenen Erkrankungen. Etwa 10-30 Prozent aller Zecken sind von Borrelien befallen.
Die von Bakterien übertragene Lyme-Borreliose wurde nach der 2000-Einwohner Stadt Lyme im US-Bundesstaat Conneticut benannt, in der sie 1975 erstmals beschrieben wurde, und zu Ehren des französischen Bakteriologen Amédée Borrel (1867-1936).
Das Bakterium gehört zur Familie der sogenannten Spirochäten. Der häufigste Erreger dieser Spezies wird Borellia burgdorferi genannt. Der Schweizer Willy Burgdorfer hatte 1981 erstmals die Borrelien an Zecken nachgewiesen.
Beschwerden
Die Lyme-Borreliose ruft unterschiedlichste Beschwerden hervor. Wird das Bakterium im Körper nicht behandelt, läuft die Erkrankung in drei charakteristischen Phasen ab.
1. Phase der Borreliose – Hautinfektion (Erythema migrans)
An der Stelle des Zeckenstichs zeigt sich nach Tagen bis drei Wochen eine charakteristische ringförmige Rötung, deren Durchmesser zunimmt. Diese Wanderröte wird auch als Erythema migrans bezeichnet. Gelegentlich treten wie bei jedem Infekt Allgemeinbeschwerden auf.
2. Phase der Borreliose – Ausbreitung im Organismus
In der zweiten Phase kann es zu neurologischen Ausfällen wie Lähmungserscheinungen oder durch Entzündung der Nervenwurzeln zu Nervenschmerzen (sogenanntes Bannwarth-Syndrom) kommen. Nicht selten tritt dann auch eine Bauchwandlähmung und wie im Fall von Verena eine periphere Gesichtslähmung (Fazialisparese) auf.
3. Phase der Borreliose – Chronisches Stadium
Neben den Hirnerven können sich auch das Gehirn, die Hirnhäute oder das Rückenmark entzünden.
Auch nicht neurologische Beschwerden wie Hautveränderungen oder Gelenkschmerzen (Lyme-Arthritis) werden von den Borrelien ausgelöst. Diese Art von Beschwerden treten typischerweise erst auf, wenn die Infektion länger als sechs Monate im Körper besteht.
Diagnostik
Die Diagnose wird anhand der Krankengeschichte (Aufenthalt in einem Endemiegebiet, Zeckenstich), der klinischen Beschwerden und des Blut- und Nervenwasserbefundes gestellt.
Im Blutserum und im Liquor können Antikörper gegen die Borrelien nachgewiesen werden. Allerdings ist darauf zu achten, dass dies auch auf eine durchgemachte Infektion, zum Beispiel auf eine zurückliegende Infektion ohne Beschwerden, hindeuten kann. Der sogenannte Durchseuchungstiter ist in der Bevölkerung sehr hoch. Der reine Nachweis dieser Antikörper belegt also nicht den Zusammenhang zu den geklagten Beschwerden. In der frühen Erkrankungsphase können aber auch umgekehrt die Antikörper-Tests noch negativ ausfallen.
Bei jedem fieberhaften Infekt mit Zeichen der Hirnhautentzündung wird eine Nervenwasserentnahme (Lumbalpunktion) durchgeführt. Neben dem möglichen Nachweis der Borrelien-Antikörper zeigt sich eine gestörte Blut-Liquor –Schranke mit erhöhtem Eiweißgehalt. Es lassen sich außerdem Entzündungszellen nachweisen.
Manche Labore bieten zudem den Nachweis von Borrelien in eingesandten Zecken an. Von diesem Verfahren muss abgeraten werden. Gelingt hier der Nachweis von Borrelien an der Zecke, hilft dies nicht weiter, da es auch durch einen Stich derselben nicht unbedingt zu einer Infektion gekommen sein muss.
Therapie
Gegen die Bakterien kommen Antibiotika zum Einsatz. Es sollte möglichst früh mit einer Behandlung begonnen werden, vor allem dann, wenn der Arzt durch die Krankengeschichte und die klinischen Beschwerden den dringenden Verdacht auf eine Borrelieninfektion hat.
Je nach Beschwerden und Dauer der Erkrankung werden die Antibiotika als Tabletten oder als Infusion über 14 Tage, in Ausnahmefällen auch über drei Wochen verabreicht. Dann sollte die Borreliose ausgeheilt sein und eine weitere Einnahme von Antibiotika ist nicht mehr notwendig. Eine darüber hinausgehende Chronifizierung der Erkrankung gibt es nicht. Natürlich schützt eine einmalig durchgemacht Borreliose nicht davor, erneut von Zecken mit Borrelien infiziert zu werden. Gegen die Lyme-Borreliose gibt es im Gegensatz zur FSME keine Impfung.
Daher ist es in Endemiegebieten wie bei der FSME auch vor allem wichtig prophylaktische Maßnahmen zu ergreifen. Die prophylaktische Einnahme von Antibiotika ist nicht angezeigt.