Klinik für Mund-, Kiefer-, und Gesichtschirurgie

Lippen-Kiefer-Gaumenspaltchirurgie (primär und sekundär)

Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKG)

Durch die Geburt eines Kindes mit einer LKG-Spalte werden viele Eltern erstmals mit dieser relativ häufigen Fehlbildung konfrontiert und fühlen sich überfordert und hilflos.

Wir bieten in dieser Situation eine sofortige umfangreiche Erstberatung an. Falls die Spaltbildung im Ultraschall entdeckt wurde, informieren wir Sie bereits vor der Geburt ausführlich und begleiten Sie während der gesamten Behandlung Ihres Kindes.
Eine vollständige Behandlung der Fehlbildung ist heute sehr gut möglich, erfordert aber eine intensive Zusammenarbeit von Eltern, Kind und Behandlern über einen langen Zeitraum der Entwicklung.

In Kooperation mit der Kinderklinik St. Hedwig in Regensburg, behandeln wir LKG-Kinder von der Geburt bis zum Erwachsenenalter und koordinieren die unterschiedlichen Behandlungsabschnitte sowie das Zusammenspiel der beteiligten Disziplinen wie Stillberatung, Kieferorthopädie, Logopädie oder HNO (Audiologie, Phoniatrie).

Bei dieser relativ häufigen Fehlbildung sind Lippe und Nase, Kiefer, Gaumen und Gaumensegel einzeln oder in Kombination oft unterschiedlich stark betroffen, wodurch Mimik, Aussehen, Wachstum, Sprache, Gehör, Schlucken, Kauen und Atmen erheblich beeinträchtigt sein können.

Ziel ist es durch Operationen und spezifische Behandlungen ein ansprechendes Gesicht mit symmetrischer Mimik sowie eine adäquate funktionelle Entwicklung zu ermöglichen. Bei den Operationen spielt vor allem die differenzierte Rekonstruktion der Gesichts- und Gaumenmuskulatur eine entscheidende Rolle. Bei der Gesamtbehandlung ist die exakte zeitliche Verzahnung verschiedener Behandlungsschritte der jeweiligen Disziplinen enorm wichtig.

Entstehung, Risiko und Prävention

Das generelle Risiko für eine angeborene Fehlbildung liegt in Mitteleuropa bei etwa drei Prozent, so dass in unserer Region circa jedes 500. Neugeborene mit einer Spaltfehlbildung geboren wird. Diese Fehlbildung ist die zweithäufigste direkt nach den Herzfehlern. Sie kann jeden treffen. In nur etwa 15 Prozent treten Spaltfehlbildungen familiär gehäuft auf, wobei auch Generationen übersprungen werden können. Am häufigsten treten die im zweiten Schwangerschaftsmonat entstehenden isolierten Lippen-Spalten, Lippen-Kiefer-Spalten oder Lippen-Kiefer-Gaumenspalten auf. Seltener sind die zu Beginn des dritten Schwangerschaftsmonats entstehenden isolierten Spalten im harten oder weichen Gaumen.

Viele Ursachen werden für die Spaltentstehung vermutet. Sie sind im Einzelnen noch nicht genau erforscht. Heute wird das Zusammentreffen äußerer (zum Beispiel Umwelteinflüsse) und innerer Faktoren angenommen, wobei viele Faktoren zusammentreffen müssen, damit eine Spalte entsteht. Man spricht von multifaktorieller Genese. Wenn bereits Spaltbildungen in der Familie bekannt sind, muss deshalb nicht unbedingt mit einem erneuten Auftreten gerechnet werden. Bei einem weiteren Kinderwunsch nach Geburt eines Kindes mit einer Spaltbildung kann eine genetische Beratung hilfreich sein, die wir gerne vermitteln.

Operationen

Durch verbesserte Narkoseverfahren ist es seit einigen Jahren möglich, schon wenige Monate nach der Geburt die entscheidenden Operationen ohne größeres Risiko für Ihr Kind durchzuführen. Auch die Operationstechniken haben sich so verbessert, dass heute sehr gute ästhetische und funktionelle Ergebnisse erzielt werden.

Bei den meisten Spaltformen ist der Verschluss eines bestimmten Spaltabschnittes zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt sinnvoll, so dass wir einzelne Operationen zu definierten Zeitpunkten durchführen. Unsere Operationstechniken bauen auf der Delaire-Philosophie auf. Die Gesamtbehandlung wird aber immer individuell auf Ihr Kind abgestimmt.
 

  1. Lippenverschluss
    Wir verschließen die Spalte im Lippen-Nasenbereich und im Kieferspaltbereich im Alter von drei Monaten bei einem Mindestgewicht von 5 kg. Ziel ist es, das vordere Drittel der Spaltbildung weichteilmäßig zu rekonstruieren. Hierbei spielt insbesondere die differenzierte Rekonstruktion der mimischen Muskulatur eine wichtige Rolle, die für das spätere Gesichtswachstum und eine ansprechende Gesichtästhetik entscheidend ist.
     
  2. Gaumenverschluss (mit erweiterter intravelarer Velumplastik)
    Im Alter von sechs bis neun Monaten wird die Gaumenspalte verschlossen, weil erst jetzt die Gaumenmuskulatur so ausgeprägt ist, dass sie funktionell rekonstruiert werden kann. Besonders wichtig für die normale Sprachentwicklung ist hier die Reorientierung von Muskelschlingen am Weichgaumen ("erweiterte intravelare Velumplastik"). Wir verschließen Weich- und Hartgaumen gleichzeitig, damit zu Beginn des Spracherwerbs am Ende des ersten Lebensjahres die Spalte weichteilmäßig komplett verschlossen ist.
     
  3. Knöcherner Kieferspaltverschluss (Kieferspaltosteoplastik)
    Die Knochenlücke im Zahnbogenbereich wird zu einem späteren Zeitpunkt mit Knochen aufgefüllt, meist im Alter von circa zehn Jahren, bevor der benachbarte Eckzahn durchbricht. Wir verwenden hierzu besonders bewährten Spongiosaknochen vom Beckenkamm. Die Knochentransplantation ist notwendig, damit für die bleibenden Zähne im Spaltbereich genug Knochen vorhanden ist und die Nase im Spaltbereich von der knöchernen Unterlage ausreichend gestützt wird. Dies ist oft auch bei "kleinen Spaltformen" wie einer isolierten Lippenspalte oder Lippen-Kieferspalte notwendig.
     
  4. Evtl. weitere Korrekturoperationen
    Bei den meisten Spaltbildungen reichen die beschriebenen Operationen heute aus, um ein ansprechendes Äußeres und adäquate Funktionen zu erzielen.
    Es gibt aber besonders ausgeprägte Spaltformen, bei denen weitere Operationen notwendig sind. Einige beidseitige Spaltformen gehören dazu.
    Früher wurden häufig Nasenkorrekturen oder Kieferkorrekturen isoliert durchgeführt. Heute setzt sich vermehrt ein ganzheitliches Denken für eine Korrektur durch. So wird heute als Korrekturoperation oft eine komplette Revision der Spalte durchgeführt, weil dadurch das Problem differenzierter behandelt werden kann. Dies gilt sowohl für den Lippen-Nasenbereich als auch für sprachverbessernde Operationen am Weichgaumen.

Interdisziplinäre Behandlung: LKG-Sprechstunde

Von der Spaltbildung sind viele Funktionsbereiche des Gesichtes betroffen. Deshalb ist neben den kieferchirurgischen Operationen oft zum Beispiel eine Sprachunterstützung durch einen Logopäden oder das Einsetzen von Paukenröhrchen ins Trommelfell durch einen Hals-Nasen-Ohrenarzt notwendig, um eine bessere Mittelohrbelüftung zu erreichen. Gesichtsentwicklung und Zahnstellung hängen eng zusammen, so dass die Behandlung durch einen Kieferorthopäden oft besonders wichtig ist.

Die Vielgestaltigkeit der Fehlbildung erfordert eine stark interdisziplinäre Behandlung von Kollegen aus verschiedenen medizinischen Bereichen. Damit alle beteiligten Spezialisten auch zum entscheidenden Zeitpunkt hinzugezogen werden, wird die interdisziplinäre Gesamtbehandlung direkt durch die LKG-Sprechstunde unserer Klinik bzw. Praxis koordiniert.

Hilfen für Mutter und Kind: Stillberatung

Direkt nach der Geburt halten wir eine Stillberatung für besonders wichtig, die wir auch gerne vermitteln. Insbesondere durch das Stillen wird die Muskulatur im Spaltbereich stimuliert und gefördert, was auf die Gesichtsentwicklung und die ersten Operationen sehr positive Auswirkungen haben kann.

Wenn der Gaumen betroffen ist, kann sogenanntes Fingerfeeding hilfreich sein. Abgepumpte Muttermilch wird dabei durch einen "Fingerfeeder", eine Spritze mit speziellem Aufsatz, beim Stillen zusätzlich in den Mundwinkel des Babys gegeben werden  (Weitere Informationen unter www.medela.de).
Darüber hinaus gibt es viele andere Methoden, die ein Stillen von LKG-Kindern möglich machen. Inwieweit eine kieferorthopädische Trinkplatte für Ihr Kind von Vorteil ist, sollte individuell mit uns abgeklärt werden. Auch weitere unterstützende Maßnahmen bis zur ersten Operation werden von uns nach individuellen Gesichtspunkten angeboten.

Behandlung von Betroffenen im Erwachsenenalter

Wenn Sie ein LKG-Patient sind, bei dem die Behandlung durch die LKG-Sprechstunde bereits abgeschlossen ist, Sie sich aber dennoch wegen Problems beraten lassen möchten, ist dies selbstverständlich jederzeit bei uns möglich. Gerade die Erwachsenenbehandlung von LKG-Patienten ist ein sich rasant entwickelndes Gebiet mit vielen Neuerungen.

Die hier zusammengestellten Informationen dienen selbstverständlich nur als Vorabinformation und können das persönliche Gespräch auf keinen Fall ersetzen. Wir möchten Sie ermutigen, in einem persönlichen Gespräch alle Ihre Fragen bei uns vorzubringen und sie mit uns zu besprechen.