Klinik für Neurologie
Elektromyographie (EMG)
Luigi Galvani entdeckte 1791 in seinen berühmten Experimenten an Froschschenkeln den Zusammenhang von elektrischem Strom und Muskelanspannung. Alexander von Humboldt war so sehr vom Galvanismus fasziniert, dass er mit Strom am eigenen Körper experimentierte, um dem Geheimnis der Bioelektrizität auf die Spur zu kommen. 1797 veröffentlichte er "Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser". Die erste EMG-Aufzeichnung im Selbstversuch gelang allerdings Emil du Bois-Reymond, dem Begründer der experimentellen Elektrophysiologie. Aus seiner Forschung heraus entwickelte sich die Elektromyographie. 1907 mit Erfindung der Oberflächenelektrode stieß das EMG auf breiteres Interesse. 1929 wurde schlussendlich die Nadelelektrode von Adrian und Brouck eingeführt.
Wie entsteht Muskelaktivität?
Damit wir einen Muskel aktivieren können sind elektrische und chemische Vorgänge im Körper notwendig: Die Planung einer willkürlichen Muskelanspannung entsteht im Gehirn und wird als elektrische Erregung über das Rückenmark und die peripheren Nerven an den Zielmuskel weitergeleitet. Die Verbindung von Nerv und Muskel besteht aus einer sogenannten neuromuskulären Endplatte. Die fortgeleitete elektrische Erregung führt an der Endigung des Nervens zur Ausschüttung von Signalstoffen, die Ionenkanäle an der Muskelmembran („Muskeltrennschicht“) öffnet. Positiv geladene Teilchen (Ionen) strömen in die Muskelzelle. So wird an der Muskelmembran eine elektrische Spannung (ein Aktionspotential) aufgebaut. Dies breitet sich über die ganze Muskelzelle aus und führt zur mechanischen Aktivität des Muskels.
Was erfasst die Elektromyographie?
Die Elektromyographie macht Muskelaktivität für unsere Sinne erfassbar: Aktionspotentiale von mehreren Muskelfasern werden gleichzeitig als sogenannte Summenaktionspotentiale aufgenommen und durch digitale Umwandlung am Bildschirm sichtbar und über Lautsprecher hörbar. Ein Aktionspotential wird in seiner Größe (Amplitude), seiner Anzahl an Nullliniendurchgängen (Phasenzahl) und seiner Häufigkeit an Entladungen pro Zeiteinheit (Entladungsfrequenz) beurteilt.
Es werden Aktionspotentiale einzelner motorischer Einheiten registriert und analysiert. Eine motorische Einheit besteht aus dem vom Rückenmark abgehenden Nerven (Motoneuron) und den Muskelfasern, die von ihm elektrisch erregt werden. Kleine motorische Einheiten bestehen aus ca. 200 Muskelfasern und sind für feine Muskelbewegungen wie an den Augen oder an den Fingern notwendig. Große motorische Einheiten, die eine grobe Kraft entfalten, bestehen aus ca. 2000 Muskelfasern.
Wie wird bei der Elektromyographie vorgegangen?
Es wird mit einer dünnen Ableitenadel untersucht. Der Einstich in den Muskel ist wenig schmerzhaft, ähnlich wie bei einer intramuskulären Impfung.
Der Untersucher verändert die Nadelposition fächerförmig, um die Aktivität an verschiedenen Stellen des Muskels zu analysieren. Die elektrische Aktivität wird zunächst bei körperlicher Entspannung, dann bei leichter Muskelanspannung und zuletzt bei Entfaltung größerer Kraft bestimmt. Der Arzt erklärt Ihnen die einzelnen Teilschritte und fordert entsprechend zur Mitwirkung auf.
Wann wird die Elektromyographie angewandt?
Mit der Elektromyographie kann festgestellt werden, ob der Muskel selbst erkrankt ist oder der Nerv, der den Muskel mit Information versorgt. Diese Technik spielt eine große Rolle bei der Untersuchung von Muskelschwächen, die durch Nervenschädigungen (zum Beispiel durch Bandscheibenvorfälle oder Nervenverletzungen) aber auch durch Muskelentzündungen oder andere Muskelerkrankungen verursacht sein können. Oft kommt die Technik in Kombination mit der Neurographie zum Einsatz.
Was kann mit der Elektromyographie beurteilt werden?
- Nachweis einer Nerven- versus Muskelschädigung
- Nachweis einer klinisch nicht feststellbaren beziehungsweise nicht objektivbaren Nerven-oder Muskelschädigung
- Feststellung eines Verteilungsmusters einer Schädigung (zum Beispiel Schädigung eines einzelnen Nervens, einer Nervenwurzel oder einer systemischen Erkrankung)
- Aussage zur Dynamik: Unterscheidung von akuter oder chronischer Schädigung