Klinik für Neurologie

Querschnittlähmung

Rückenmarksschädigungen benötigen spezialisierte und interdisziplinäre Versorgung

Fallbeispiel: die 74jährige Frau Neumer wird von ihrem Mann am Abend auf dem Küchenboden vorgefunden. Sie berichtet ihm, seit einer Stunde auf dem Boden zu liegen und nicht mehr die Beine zu spüren. Dies sei ganz plötzlich aufgetreten während sie das Abendbrot zubereitet hätte. Die Beine seien absolut gefühllos, sie könne Zwicken wie sie wolle und spüre nichts. Am restlichen Körper fehle ihr sonst nichts. Herr Neumer verständigt den Notarzt, der seine Frau in unsere zentrale Notaufnahme bringt. Es wird ein Schlaganfall des Rückenmarks festgestellt.

Ursachen

Bei einer Rückenmarksschädigung wird allgemein an Unfälle (Traumata) im Straßenverkehr, beim Sport (zum Beispiel Paragliding, Stabhochsprung) oder im Beruf gedacht. Dies betrifft hauptsächlich Männer um die 40 Jahre.

Dabei liegt der immer größer werdende Anteil an Querschnittlähmungen, die nicht durch Verletzungen verursacht sind und die mehr ältere Patienten betreffen, bei aktuell ungefähr 40 Prozent.

Bei den nicht traumatischen Ursachen spielen eine Rolle

  • Durchblutungsstörungen (Schlaganfälle des Rückenmarks)
  • Entzündungen (bakteriell, viral wie autoimmun)
  • Stoffwechselerkrankungen (zum Beispiel Vitamin B12- oder Kupfer- Mangel)
  • Tumore (am häufigsten Tochtergeschwülste bei Krebserkrankungen wie Prostata – oder Brustkrebs)
  • Folgen einer medizinischen Therapie (Strahlentherapie)

Unter den nicht-traumatischen Ursachen einer rückenmarkseigenen Erkrankung ist beispielsweise die Multiple Sklerose relativ häufig (43 Prozent).

Schädigungsmuster

Das Rückenmark verläuft im Kanal der Wirbelkörper, die die Wirbelsäule bilden und übermittelt elektrische Informationen vom Gehirn an den Körper und anders herum. Durch eine Querschnittlähmung können, müssen aber nicht alle drei Nervensysteme betroffen sein:

  • Motorische Nerven, die für die Bewegungskontrolle wichtig sind
  • Sensible Nerven, die alle unterschiedlichen Qualitäten von Gefühlswahrnehmung ans Gehirn übermitteln
  • Vegetative Nerven, die für die Blasen- Darmkontrolle, Schweißsekretion oder die Herz-Kreislauf-Kontrolle sehr wichtig sind

Beschwerden

Die Höhe und das Ausmaß der Schädigung des Rückenmarks bestimmen die unterhalb gelegenen neurologischen Ausfälle. Die offensichtlichsten Symptome sind eine Lähmung der Beine (Paraparese) oder von Armen und Beinen (Tetraparese). Dabei ist im Alltag von Querschnittpatienten viel relevanter eine verloren gegangene Blasen- oder Darmkontrolle oder eine schwer kontrollierbare Kreislaufregulationsstörung.

Eine Querschnittlähmung bedeutet aber nicht automatisch, dass das Rückenmark unwiderruflich durchtrennt wurde. Manche Ursachen können behoben werden, andere wie Entzündungen oder Schwellungen bilden sich zurück (Regeneration) und erhalten gebliebene Nervenstrukturen können teilweise die Aufgaben der untergegangenen Nerven übernehmen (Rekompensation).

Häufig bleiben Beschwerden jedoch ein Leben lang bestehen.

Da nicht immer das gesamte Rückenmark betroffen ist, können die Ausfälle unterschiedlich sein. Man unterscheidet zwischen einem inkompletten und einem kompletten Querschnittsyndrom.

Komplettes Querschnittsyndrom

Hier sind auf der betroffenen Höhe des Rückenmarks alle Nerven geschädigt. Es liegt dann eine komplette Lähmung der Beine (Paraplegie) oder bei einer hohen Querschnittlähmung von Armen und Beinen (Tetraplegie) vor. Gerade bei hohen Querschnittsyndromen kommt es zusätzlich zu einer Beeinträchtigung der Atemmuskulatur.

Inkomplettes Querschnittsyndrom

Hier sind nicht alle Nervenfasern auf der betreffenden Höhe geschädigt. So muss nicht eine komplette Lähmung, sondern nur eine Schwäche der Muskulatur vorliegen, auch Ausfälle der anderen Nervensysteme können eine inkomplette Funktionsstörung hervorrufen und nur zu einer Teilbehinderung führen.

Diagnostik

Durch die Schilderung von Unfallvorgängen und die klinisch-neurologische Untersuchung ergibt sich bereits der Verdacht auf ein Querschnittsyndrom. Auch bei den nicht traumatischen Formen  ist durch die klinisch-neurologische Untersuchung die Diagnose einer Tetra- oder Paraparese zu stellen.

Durch die rasche Durchführung einer Bildgebung können Unfallfolgen abgeschätzt und eine rasche operative Intervention zur Entlastung des Rückenmarks eingeleitet werden. Mit der Computertomographie können beispielsweise sehr gut Knochenbrüche und Veränderungen der Wirbelsäule beurteilt werden, die zu einer Rückenmarksschädigung führen. Möchte man das weichteilige Rückenmark genauer betrachten, hilft die Kernspintomographie weiter. Hiermit lassen sich besser entzündliche, tumoröse oder auch durchblutungsbedingte Schädigungen abschätzen.

Ein Querschnittsyndrom ist ein medizinischer Notfall

Sollte etwa als Ursache ein Bluterguss oder ein Bandscheibenvorfall für die Rückenmarksquetschung festgestellt werden, sollte innerhalb von 48 Stunden operiert werden, um einen weiteren Nervenzelluntergang zu verhindern. Instabile Wirbelsäulenbrüche müssen mit Schrauben und Platten fixiert werden, um dem Rückenmark auch eine Chance der Erholung zu bieten.

Mithilfe einer elektrophysiologischen Untersuchung kann die erhaltene Restfunktion objektiviert werden, gelegentlich bereits im Akutstadium eine Prognose abgeschätzt werden und die weiteren rehabilitativen Schritte gezielter geplant werden. Zu den elektrophysiologischen Untersuchungen zählen das Elektroenzephalogramm, Elektromyographie sowie evozierte Potentiale.
Durch eine Blutentnahme können andere Ursachen wie eine Vitaminmangelstörung oder eine stoffwechselbedingte Störung oder eine Autoimmunkrankheit festgestellt werden. Eine Lumbalpunktion (Liquoranalyse) hilft weiter, wenn es sich um eine entzündliche Ursache wie eine FSME- oder Borrelien-Erkrankung oder um eine Multiple Sklerose handeln sollte.

Akutbehandlung

Zur Behandlung in der Akutphase wir meist ein interdisziplinäres Team benötigt. Es ist oft eine intensivmedizinische Überwachung angebracht, auch um typische Komplikationen rechtzeitig zu erkennen.

Typische Komplikationen
  • Eine akute Querschnittlähmung kann zum Kreislaufschock führen
  • Bei akuter Tetraplegie ist ein Versagen der Atemmuskulatur möglich
  • Eine fehlende Kontrolle und fehlende Ausscheidung von Urin kann zu einem Aufstau in die Nierenkelche und zum Nierenversagen führen
  • Die unterbrochene Ansteuerung der Bewegung des Darmes kann zu einem Darmverschluss führen
  • Die Bettlägerigkeit und plötzliche Stilllegung der Muskeln als Lähmungsfolge kann zu Thrombosen und größeren Embolien (Lungenembolie) führen.
  • Querschnittlähmungen können sehr schmerzhaft sein und bedürfen einer intensiven Therapie mit Medikamenten

Komplikationen

Bei vielen Menschen bleibt die komplette oder inkomplette Querschnittlähmung bestehen. Verschiedene Folgeerscheinungen können entstehen, die auch zu einer neurologischen Vorstellung führen können.

Folgeerscheinungen
  • Wiederholte und komplizierte (Antibiotika-resistente) Harnwegsinfekte aufgrund der Blasenlähmung
  • Fehlendes Schmerzempfinden begünstigt die Entstehung von Druckgeschwüren
  • Bluthochdruckkrisen (Autonome Dysreflexie) können wiederholt auftreten, meist ausgelöst durch eine unregelmäßige und durch die Nerven nicht mehr regelhaft kontrollierbare Blasen- und Darmentleerung
  • Schmerzhaften Verknöcherungen von Weichteilen (Ossifikationen) können sich ausbilden
  • Schmerzhafte Versteifung von Gelenken (Kontrakturen)
  • Viele Patienten entwickeln eine krankhaft erhöhte Muskelspannung (Spastik), die schmerzhaft sein kann, Schwierigkeiten mit den bestehenden Lähmungen und Schlafstörungen verursachen kann

Rehabilitation

Ziel ist eine möglichst große Selbständigkeit und Wiedereingliederung in einen Lebensalltag. Für eine berufliche Wiedereingliederung wird oft eine lange Rehabilitations- und Planungsphase benötigt, die von spezialisierten Zentren geleistet wird. Die Dauer bis zum Abschluss der Rehabilitation liegt auch bei idealem Verlauf bei etwa drei bis sechs Monaten für eine Paraplegie, für eine Tetraplegie bei sechs bis zwölf Monaten. Die meisten Maßnahmen müssen über die Erstversorgung hinaus lebenslang konsequent weitergeführt werden.

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